
Warum werden Gesundheitsfragen bei der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) gestellt?
Bei einem Antrag der Berufsunfähigkeitsversicherung stellen die Versicherer sogenannte Gesundheitsfragen. Das hat damit zu tun, dass eine Versicherung wissen möchte, welches „Risiko“ sie versichern soll. Versicherungen unterliegen dabei keinem Zwang, im Bereich der BU-Versicherung Personen zu versichern. Deswegen können die Versicherungsunternehmen verschiedene Richtlinien und Maßstäbe festlegen, die über die Versicherbarkeit entscheiden.
Eine Versicherung kalkuliert im Vorfeld immer die Risiken für eine Berufsunfähigkeit und bewertet diese. Die Kalkulation wird unter anderem anhand der Gesundheitsangaben der entsprechenden Person festgelegt. Personen, die „gesund“ sind, tragen ein geringeres Risiko, berufsunfähig zu werden. Personen mit relevanten Vorerkrankungen hingegen tragen statistisch gesehen ein höheres Risiko. Basierend darauf wird ein Beitrag ermittelt, den der Kunde zu zahlen hat.
Sollten die Gesundheitsangaben nicht richtig beantwortet werden, kann dies große Folgen für deinen Versicherungsschutz haben. Dazu erscheint demnächst ein weiterer Artikel von uns.
Für viele ist die Angabe der Gesundheitsdaten ein sensibles Thema, denn nicht jeder gibt gerne seine persönlichen Daten oder Erkrankungen preis.
Eine Umschiffung der Fragen ist leider nicht möglich. Die Gesundheitsangaben sind sozusagen das Fundament auf dem Weg zu einer optimalen Absicherung gegen die Berufsunfähigkeit.
Kommen wir aber nun zum eigentlichen Teil des Beitrags, den Gesundheitsfragen.
BU Gesundheitsfragen - drei Beispiele
Wie bereits beschrieben, hat jede Versicherung ihren eigenen Fragenkatalog. Wir stellen dir drei beispielhafte Gesellschaften vor, die wir u.a. im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung anbieten. Wie du im weiteren Verlauf bemerken wirst, bedeutet das aber nicht, dass wir keine Kritik an mancher Stelle üben werden. Auch das gehört unserer Meinung nach zu einer guten Beratung. Wir nehmen bestimmte Fragen genau unter die Lupe und zeigen mögliche Schwachstellen auf. Da dir dieser Beitrag lediglich einen groben Eindruck der Fragen vermitteln soll, haben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit gelegt. Das würde unserer Meinung nach den Rahmen sprengen.
1. Beispiel: BU Swiss Life
Die erste Versicherungsgesellschaft, deren Gesundheitsfragen wir uns anschauen, ist die Swiss Life.

Die Gesundheitsangaben im stationären Bereich werden 10 Jahre zurückgefragt. Diese Frage ist im Fragenblock VII. B die Frage Nummer 2.
„Haben in den letzten 10 Jahren „Krankenhaus-, Rehabilitations-, Kuraufenthalte oderambulante Operationen stattgefunden oder sind solche derzeit ärztlich empfohlen oder beabsichtigt?“
Diese Fragestellung ist unserer Meinung nach verständlich und nachvollziehbar. Hier gibt es am Markt Anbieter, die teilweise nur 5 Jahre zurückfragen. Wie du sehen wirst, sind 10 Jahre aber nicht unüblich.
Die Fragestellung, welche auf den ambulanten Bereich abzielt, fragt 5 Jahre zurück, siehe Frage 3.
"Sind Sie in den letzten 5 Jahren durch Ärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Psychologen oder sonstige Therapeuten, oder Angehörige der Gesundheitsberufe untersucht, behandelt oder beraten worden wegen Erkrankungen (Erkältungskrankheiten sind nicht anzugeben), Störungen oder Unfallfolgen"
danach folgt eine Vielzahl von Auflistungen der möglichen Erkrankungen wie z.B. in Frage 3.1. des Herzens usw.
Bei der einleitenden Frage 3 wird explizit nach Erkrankungen, Störungen oder Unfallfolgen gefragt, wegen denen man untersucht, behandelt oder beraten worden ist.
Was genau eine „Störung“ ist, ist für viele Interessenten noch immer nicht ganz nachvollziehbar. Die Bezeichnung „Erkrankung“ ist dabei deutlich besser gewählt.
Dies Form der Fragestellung haben andere Versicherer besser gelöst, wie du im weiteren Verlauf beim Volkswohl Bund sehen wirst.

Die Frage 7. finden wir nicht besonders vorteilhaft formuliert.
"Liegen oder lagen innerhalb der letzten 3 Jahre weitere, noch nicht genannte behandlungsbedürftige Erkrankungen oder Beschwerden vor, wegen denen Sie in Behandlung, Beratung oder Untersuchung waren oder sind solche angeraten bzw. beabsichtigt?"
Demnach müssen zusätzlich alle behandlungsbedürftigen Erkrankungen oder Beschwerden der letzten drei Jahre angegeben werden. Auch die, die im vorherigen Teil des Antrags nicht abgefragt wurden. Wir fragen uns, weshalb die ganzen Auflistungen der Erkrankungen, wenn mit der Frage 7 sowieso alle behandlungsbedürftigen Erkrankungen und Beschwerden (der letzten 3) abgefragt werden.
Die Frage 8. birgt ebenfalls Stolpersteine bei der Antragsstellung
"Bestehen oder bestanden bei Ihnen darüber hinaus in den letzten 12 Monaten wiederkehrende (mehr als zweimal im Jahr oder an mehr als 14 Kalendertagen) Beschwerden ohne Arztbesuch? Hierzu zählen z. B. Schwindel, Ohnmacht, Atemnot, wiederkehrender Schmerzzustand ungeklärter Ursache, depressive Episoden, Seh-, Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen."
Wir stellen uns dabei immer den Leistungsfall vor und überlegen, welche Sachen dem Kunden bei einer solchen Frage später zu Last gelegt werden können.
Bei der Beantwortung der Frage kann man die Annahme treffen, dass von den Erkrankungen, mit denen man nicht beim Arzt war, auch niemand etwas erfährt.
–wie denn auch, man hat es ja für sich behalten, oder?
Doch ist das wirklich so? Folgendes Szenario: Du hast in den letzten 12 Monaten häufiger depressive Episoden gehabt, bist deshalb aber nie beim Arzt gewesen. Du schließt eine BU ab und beantwortest diese Frage mit NEIN, da du dir sagst, wie dir das denn im Leistungsfall nachgewiesen werden soll. Ein Jahr später werden die Depressionen immer schlimmer und du suchst einen Therapeuten auf. Dieser untersucht deinen Zustand und stellt dir die üblichen Fragen nach depressiven Verstimmungen in der Vergangenheit. Du berichtest ihm, dass du seit Jahren immer mal wieder, so ca. 5-6-mal im Jahr, depressive Episoden hast. Diese Information wird der Therapeut festhalten.
Wenn aus der Depression eine Berufsunfähigkeit wird, könnte es vorkommen, dass die Versicherung deinen Therapeuten befragt. Dieser, so hast du es Ihm ja berichtet, gibt die Info weiter, dass du bereits seit Jahren mit depressiven Episoden zu tun hast.
Diese Info hast du aber im BU-Antrag nicht angegeben. Und schon kann es zu erheblichen Konsequenzen bei der Leistungserbringung seitens der Versicherung kommen.
Dieses Beispiel kann auf nahezu alle gesundheitlichen Vorerkrankungen projiziert werden. Vielleicht ist es auch bisschen zu überspitzt dargestellt, aber unser Meinung nach birgt diese Frage unnötige Gefahren.
2. Beispiel: BU Die Bayerische
Nehmen wir uns im zweiten Beispiel die erste Gesundheitsfrage der Bayerischen im ambulanten Bereich vor.

Frage 1. "Bestehen oder bestanden in den letzten 5 Jahren bei Ihnen Krankheiten, Störungen oder Beschwerden…"
Diese Frage bietet wieder sehr viel Interpretationsspielraum und macht nicht deutlich, welche Angaben genau gemacht werden sollen. Im Vergleich zur BU der Swiss Life werden hier nicht die Erkrankungen abgefragt, die beim Arzt untersucht, behandelt oder beraten wurden, sondern Störungen, Krankheiten und Beschwerden der letzten 5 Jahre.
Also z.B. auch Bluthochdruck oder Asthma, obwohl man deswegen nicht beim Arzt in Behandlung gewesen ist.
Das muss im Leistungsfall nicht zwingend zu Problemen führen, doch würden wir uns eine etwas „geschlossenere“ Fragestellung wünschen.
Im weiteren Verlauf der Gesundheitsprüfung findet sich unter VI. und der Frage 1 und 2 ein etwas charmantere Fragestellung.

Hier wird nämlich nach Beratungen, Untersuchungen und Behandlungen bei Ärzten, Psychologen, Krankeneinrichtungen etc. in den letzten 5 Jahren im ambulanten und 10 Jahren im stationären Bereich gefragt.
Diese Form der Fragestellung hätten wir uns bereits zu Beginn bei Frage 1 gewünscht.
3. Beispiel: BU Volkswohl Bund
Das dritte Beispiel liefert der Volkswohl Bund. Dieser definiert die Gesundheitsfragen recht präzise. Viele Erkrankungen werden 5 Jahre zurückgefragt, einige sogar nur 3 Jahre im ambulanten Bereich

Frage 2: Es wird nach "Erkrankungen und Beschwerden gefragt, die ärztlich oder therapeutisch beraten, untersucht oderbehandelt wurden."
Hier erkannt man gleich den Unterschied zur Bayerischen Versicherung und der Swiss Life. Präzise und mit wenig Spielraum zur Interpretation. Es taucht auch nicht die Frage nach „Störungen“ auf. Wie wir finden, sehr gut formuliert.
Einziger Knackpunkt:
Auffällig sind hier die psychotherapeutischen Behandlungen, die für die letzten 10 Jahre zurückgefragt werden. (siehe Frage 1) Bei anderen Versicherungsgesellschaften müssen häufig nur die letzten 5 Jahre angegeben werden. Das kann für viele zum Problem werden, denn auch wir bemerken, dass wir immer mehr Anfragen von Personen bekommen, die psychische Vorerkrankungen hatten.
Fazit: Wie du deutlich erkennen kannst, sind bei den Beispielen bereits einige Unterschiede zu erkennen. Deshalb sind ggf. einige Versicherungsgesellschaften weniger geeignet als andere, je nachdem, wie die gesundheitliche Situation ist.
Wie die Gesundheitsfragen gestellt sind, sollte aber nur ein Teilbereich der Entscheidungsfindung sein. Viel wichtiger bleibt die Aufbereitung deiner Gesundheitshistorie. Hierzu solltest du unbedingt den folgenden Abschnitt lesen, denn hier geben wir dir wertvolle Tipps aus der Praxis und schildern unsere Vorgehensweise.
Die Beantwortung der Gesundheitsfragen– das solltest du unbedingt wissen
Um die Gesundheitsangaben richtig beantworten zu können, sind im Vorfeld einige Schritte nötig. Wir gehen dabei einen etwas unkonventionelleren Weg, der in unserer Branche leider noch nicht immer üblich ist.
Unsere tägliche Praxis zeigt, dass wir mit dieser Vorgehensweise eher die Ausnahme darstellen, dieser Weg aber sehr wichtig ist, um überhaupt den Schutz einer Versicherung zubekommen, die im Leistungsfall auch zahlt.
Wie bereits beschrieben, fragen die meisten Versicherungen den Zeitraum der ambulanten Behandlungen der letzten 5 Jahre und stationäre Behandlungen der letzten 10 Jahre ab.
- Im ersten Schritt solltest du dir also in Ruhe überlegen, aufgrund welcher Erkrankungen du in den letzten Jahren bei welchen Ärzten warst. Teilweise kann diese Frage leicht beantwortet werden, da du beispielsweise nur bei einem Hausarzt gewesen bist oder generell nur selten beim Arzt warst. Wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte und du warst bei unterschiedlichen Ärzten, die du eventuell auch nicht mehr genau auflisten kannst, dann ist eine Abfrage bei der Krankenkasse oder der Kassenärztlichen Vereinigung der richtige Weg für dich.
- Generell ist es in beiden Fällen sinnvoll, deine Patientenakte, auch Arztakte genannt, bei deinen behandelnden Ärzten einzuholen. Wichtig sind die letzten 5 Jahre der Behandlung inkl. Diagnosen und möglicher Befundberichte.
Im Beitrag „Patientenakte einholen“ haben wir dieses Vorgehen genau erläutert. Wir empfehlen dieses Vorgehen, um zu vermeiden, dass bei eventueller Inanspruchnahme der BU die Versicherung nicht zahlt. - Wenn deine Patientenakte vorliegt, solltest du jede Diagnose betrachten und sortieren. Überlege genau, ob du auch tatsächlich wegen der Diagnosen in Behandlung warst. Oft erleben wir falsche Diagnosen in der Patientenakte
- Sollten in deiner Akte fehlerhafte Diagnosen sein, Diagnosen, die du nicht zuordnen kannst oder Erkrankungen ,die nicht mehr bestehen aber dennoch in der Akte vorzufinden sind, dann solltest du deinen Arzt kontaktieren.
Dabei erstellen Ärzte häufig ein Attest oder eine ärztliche Stellungnahme für die Versicherungsgesellschaften. Diese Stellungnahme kann fehlerhafte Diagnosen revidieren oder aber auch klarstellen, worum es sich bei einer bestimmten Erkrankung genau handelt. - Erst wenn diese Arbeit gemacht ist, führen wir eine anonyme Risikovoranfrage bei ausgewählten Gesellschaften durch. Mit diesem Vorgehen sicherst du dir die größten Chancen, den Schutz einer BU zubekommen, die im Leistungsfall auch zahlt.
Diese Vorgehensweise sieht auf dem ersten Blick nach viel Arbeit aus, das kann es auch durchaus sein.
Doch hat man die Fleißarbeit hinter sich gebracht, so erhält man eine optimale Grundlage für eine anonyme Risikovoranfrage.
In jedem Fall lohnt sich die Vorabreit, denn nur dadurch hat man die Gewissheit, dass auch alle richtigen Diagnosen bei der Versicherung gelistet sind. Im Leistungsfall kann es sonst dazu kommen, dass die Versicherung nicht zahlt, wenn erst im Nachhinein die Patientenakte eingesehen wird.
Wie kannst du nun vorgehen und was können wir dir mit auf den Weg geben?
Fazit: Lass dich von den Gesundheitsfragen nicht abschrecken. Auch die Tatsache, dass du deine Patientenakte womöglich einholen wirst und eventuell auch noch Atteste anfordern musst, solltest du als das Fundament deiner „wichtigsten Versicherung“ sehen.
Das Thema BU ist für uns das tägliche Geschäft und wir sind damit bestens vertraut.
Lass dir bei dem Lesen unseres Blogs ausreichend Zeit, bilde dich weiter und hole dir, wenn nötig, weitere Meinungen ein.
Warum ist eine BU so sinnvoll?
Patientenakte einholen?
Warum eine anonyme Risikovoranfrage stellen?
Sei auch gerne kritisch oder stelle notwendige Fragen.
Die Antragstellung einer BU ist für die meisten nur einmal im Leben Thema. Deshalb solltest du auch ein gutes Gefühl beim gesamten Prozess haben. Wenn du diesen Weg mit uns gehen möchtest, dann vereinbare einfach einen Termin mit uns.
Ganz wichtig: Solltest du dir dennoch eine zweite Meinung zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung einholen, dann lass dir nicht sagen, dass bestimmte Fragen eher unwichtig sind und nicht angegeben werden müssen.
Auch das Einholen der Patientenakte und unser gesamter Antragsprozess ist nur bei einer kleinen Anzahl an Kollegen verbreitet. Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass mit diesem Vorgehen einer der größten Fallstricke umgangen werden kann.